Auschnitt aus dem Buch Tao Te Puh, kann es jedem nur empfehlen.
...das Thema Taoismus mal ganz anders und von einer anderen Seite betrachtet. Wirklich äußerst süss- nicht zu ernst, aber auch nicht ohne Tiefgang, aber ur gut
[...] Eines Tages, es ist noch nicht lange her, sah ich Ferkel, wie es ganz allein auf dem Schreibtisch saß und sehnsüchtig aus dem Fenster schaute. Ich fragte, was es denn da mache.
»Och, bloß Wünschen«, erwiderte es.
»Was wünschen?« fragte ich.
»Nichts, eigentlich«, sagte es und wurde um die Ohren noch rosiger als sonst.
»Du weißt doch, daß ich dich nicht auslache, wenn du es mir erzählst.«
»Tja ... ich habe nur gewünscht ...«
»Ja?«
»Nur gewünscht ... Das mich mal jemand bemerkt.«
»Ich bemerke dich.«
»Ich meine ja bloß also, fast jeder bemerkt Pu... «
»Ja, das tut fast jeder. Seit damals vor Jahren als die Pu Bücher erschienen sind.«
»Und jetzt erst recht«, sagte Ferkel, »Wegen du weißt schon«
»Ach, ja, sagte ich. »Für einen Augenblick hatte ich es vergessen«
Und dann war ich es, der sehnsüchtig aus dem Fenster schaute, und ich mußte an den Frühling 1982 denken. Damals war nämlich ein Buch von mir erschienen, das Tao Te Puh hieß. Es schien so lange her zu sein, irgendwie.
Tao Te Puh war anfänglich eine Reaktion auf eine, wie ich fand, unerfreuliche Situation. Sämtliche Veröffentlichungen in englischer Sprache über die chinesische Philosophie des Taoismus, der, so war mir klar geworden, weit mehr als bloß »chinesisch« und weit mehr als bloß »Philosophie« war,
stammten überwiegend von gelehrten Leuten, denen es offenbar nur darum ging, winzige Einzelheiten zu katalogisieren und sich darüber zu streiten, anstatt Menschen die nützliche Weisheit der taoistischen Ideen nahe zubringen.
Fast während meines ganzen Lebens hatte ich die Lehre und die Ideen mit verschiedenen taoistischen Lehrern studiert; manche von ihnen waren offizielle Lehrer, andere nicht, manche waren Chinesen, andere nicht, manche hatten eine menschliche Gestalt und manche (die besten Lehrer von allen) nicht. Ich mußte mit ansehen, wie jene Ideen in »taoistischen« Schriften vertuscht und verpfuscht wurden, Schriften von Gelehrten, die keine Taoisten waren, die weder von Taoisten unterwiesen worden waren noch Taoistische Fertigkeiten oder Übungen praktizierten. Aber nichtsdestoweniger hatten sie das Thema Taoismus in Beschlag genommen hatten und sich verächtlich über jeden geäußert, der durchblicken ließ, daß mehr daran war, als sie behaupteten.
So fiel mir zum Beispiel eine von dem taoistischen Autor Tschuang-tse verfaßte Beschreibung einiger Schwertkampftechniken in die Hände. Sie war von einer »Autorität« übersetzt worden, die offenbar nicht einmal die grundlegenden Regeln der taoistischen Kampfsportarten kannte Und ich fragte mich, ob diesem Mißstand nicht irgendwie abzuhelfen war.
Dann, eines Tages. als ich gerade jemandem eine Passage aus A. A. Milnes Pu der Bär vorlas, kam mir eine Idee. Ich könnte ein Buch schreiben, indem Taoismus mit Hilfe der Figuren aus Pu der Bär und Pu baut ein Haus erklärt wird. Auf diese Weise, so dachte ich, würde ich die taoistische Weisheit dem ausschließlichen Zugriff der Gelehrtenwelt entreißen und ihr zurückgeben, was ihr genommen worden war: kindliche Aufgeschlossenheit und Humor. Als ich gewissen I-Ahs von der Idee erzählte, rieten sie mir dringend ah. Doch es ist mir selten sonderlich ratsam erschienen, dem Rat von I-Ahs zu folgen.
Ganz im Gegenteil: Wenn die I-Ahs gegen eine Sache sind, neige ich meist zu der Annahme, daß etwas dran sein muß. Also schrieb ich das Manuskript, es wurde veröffentlicht, und damit (so dachte ich) hätte es sich. Aber nein. Damit fing eigentlich alles erst richtig an. Bevor das »Tao Te Puh« erschien, war es so gut wie nie vorgekommen, daß Nichtakademiker oder Nichtesoteriker im Westen über den Taoismus diskutierten. Heute dagegen werden taoistische Prinzipien in Büchern über Wirtschaft, Naturwissenschaft, Psychologie, Gesundheit, Sport, Musik, Kunst, Literatur, Programmieren und andere Themen erörtert. Man diskutiert sie in Managerseminaren, in Oberstufenkursen, Proseminaren und sonstigen Versammlungen aller Art. Und (nachdem was ich gelesen und gehört habe) ist Tao Te Puh das am häufigsten empfohlene Buch zum Verständnis taoistischer Prinzipien.
An Universitäten wird es in Seminaren über Taoismus gelesen. Psychiater verteilen es an ihre Patienten, Geistliche zitieren in ihren Predigten daraus. Lehrer asiatischer Kampfsportarten lesen es ihren Schülern vor und so weiter. Ich habe sogar gehört, daß es in einigen Hotels als Bettlektüre für die Gäste ausliegt. Allem Anschein nach ist Tao Te Puh auf der ganzen Welt bekannt und beliebt. Und das, so muß ich sagen, hat Pu außerordentlich gefreut.
»Oh,Pu« sagten alle anderen außer I-Ah.
»Danke«, brummte Pu.
I-Ah sagte still vor sich hin: »Diese ganze Schreiberei. Bleistifte und was nicht alles. Überbewertet, wenn man mich fragt. Steckt doch nichts dahinter.«
Und so erlangte Tao Te Puh als ein »bemerkenswerter Erfolg« einen gewissen Bekanntheitsgrad. Und bis vor gar nicht allzu langer Zeit dachte ich, damit hätte es sich. Ich hatte die taoistischen Prinzipien erklärt. Ich hatte mit Pu und seinen Freunden für Unterhaltung gesorgt. Und es gab andere Dinge, die ich tun wollte, andere Dinge, mit denen ich als Autor in Verbindung gebracht werden wollte. »Hört auf mit diesem „bemerkenswerten Erfolg“« bat ich. »Ich will weg davon.« Aber niemand wollte mich weglassen. »Nein, ich plane keine Fortsetzung von Tao Te Puh. Ich mag keine Fortsetzungen. Vielen herzlichen Dank. Auf Wiedersehen.«
Aber ganz allmählich und verstohlen, so verstohlen, daß ich es lange gar nicht merkte, schlich sich etwas in mein Bewusstsein. Ein leises Stimmchen versuchte, meine Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. Nach einer Weile begriff ich, daß es Ferkels Stimmchen war. Schließlich setzte ich mich hin und hörte zu. Und nachdem ich eine Weite zugehört hatte, fing ich an, mir Notizen zu machen Es gab noch mehr zu sagen, das machte mir Ferkel klar, aber niemand sagte es, obwohl die Welt es braucht. Sie würde es, meinte Ferkel, in den kommenden Jahren sogar noch dringender brauchen. Ein weiteres Buch müßte doch keine »Fortsetzung« sein; es könnte ein Begleitbuch sein, wie »Pu baut ein Haus« zu »Pu der Bär«. [...]